Ich habe an Pfahler immer die Intensität bewundert...

von Max Bense


ich habe an pfahler immer die intensität bewundert, mit der er sich in die arbeit an einem projekt stürzt, für das man ihn gewinnen konnte. schon vor jahren, als er noch in einem kleinen raum der stuttgarter kunsthochschule seine keramik brannte, stand er inmitten seiner vasen und schalen genau so hilflos herum wie sein besucher, weil es einfach keinen platz mehr gab angesichts der ergebnisse einer erfolgreichen arbeitswut, und als ich ihn kürzlich in seinem neuen atelier aufsuchte, das er jetzt vor allem als maler bewohnt, gab es wieder jenes gedränge, und er wußte kaum, wo und wie er mir die zahllosen großen blätter zeigen sollte, die er gemacht hattfe, um eine neue art von illustration, eine illustration zu randomisierten texten, auszuprobieren. pfahlers intensität scheint mir eine intensität des probierens, also der einübung der materialien und der einübung der vorstellungen, zu sein. das ist chinesisch, mittelalterlich und modern zugleich. intuition, empirie und antizipation müssen bei ihm im künstlerischen prozeß der kategorizität des experiments genügen.

sieht man sich im atelier die serien an, die einem vorgezeigten werk, einer veröffentlichten graphik vorangehen, bemerkt man leicht, daß sie auf der suche nach einem verhältnis zwischen erreichbaren ordnungsgraden und dazu aufgewendeter komplexität der materialien war, das ein maximum an ästhetischer botschaft zum ausdruck bringt.

es gibt kritiker, die lieber von schöpfen als von probieren sprechen. es sind die metaphysiker im gegensatz zu den technikern, die idealisten im gegensatz zu den empirikern. bei pfahler gewinnt man, besonders wenn man aus dem atelier in die ausstellung tritt(vielleicht sollte man jeder ausstellung etwas "atelier" beigeben), den eindruck, daß der gewinn der ästhetischen botschaft die aufeinanderfolgenden erfahrungen in der art ihrer herstellung voraussetzt; schöpfung als erfolg reiches probieren, das dokumentiert werden kann. auch kunst geht nicht aus einem nichts hervor, sondern aus einem repertoire, und die serie, an deren ende schließlich das veröffentlichte werk erscheint, verdeutlicht den sichtbarlichen teil dieses repertoirs.

ich finde, man bekommt relativ schnell kontakt mit pfahlers bildern und blättern. Das liegt genau an dem umstand, daß seine ergebnisse eigentlich ein repertoire von ergebnissen darstellen. pfahlers kunstwerke enthalten nicht nur eine, sondern immer mehrere botschaften. sie veranlassen uns, eine auszuwählen. auf diesem vorgang beruht aber die technik der hohen kommunikation mit solchen dingen.

was die idee der illustration angeht, mit der sich pfahler beschäftigt, so interessiert mich daran, daß sie nicht im sinne hat, abzubilden, darzustellen, zu codieren. es geht darum, die methode zu übernehmen; ein und dieselbe methode also konstruktiv analog in verschiedenen materialien, im text oder im bild, "schöpferisch" zu benützen - und zu sehen, wohin sie führt. gewissermaßen offene, nicht ganz determinierte, unvermutete, zufällige oder willkürliche illustration, dennoch "methodische eroberung" ästhetischer komplemente.

die arbeiten pfahlers reizen den theoretiker. sie regen sofort an, überlegungen nachzuprüfen, die theorie darauf einzustellen. diskutiert man den ästhetischen wert dieser blätter und bilder, sollte man diesen punkt festhalten. so sinnlich diese welt anmutet, ihre intelligiblen zonen sind unverkennbar.

[Druck in Katalog Georg Karl Pfahler. Stuttgart: Galerie Müller 1960; Nachdruck in Katalog Georg Karl Pfahler. Wiesbaden: Galerie Renate Boukes 1961]