Reinhard Döhl Als GCK das letzte Mal in der RathausGalerie ausstellte, waren dies Skizzen, Zeichnungen, Aquarelle, Bilder aus den Ägypten-Serien, die in größerer Breite belegten, womit sich GCK in den 80er Jahren vor allem auseinandergesetzt hatte. Wenn die heutige Ausstellung "Landschaften" zeigt, scheint ein thematischer Sprung vorzuliegen, ein Themenwechsel angesagt, der der Erklärung bedarf. Aber ist dies wirklich der Fall? Weist das Oeuvre GCK's, das sich bisher eher durch Konstanz und Konsequenz auszeichnete, neuerdings Sprünge auf? Ich meine das nicht. Und ich werde deshalb - wenigstens kurz - noch einmal auf den Ägyptenkomplex zu sprechen kommen. Als GCK zum ersten Mal nach Ägypten fuhr, war seinen Freunden klar, daß dies nicht einfach eine touristische Reise sein würde. Dagegen sprachen schon das "Totenbuch" und die ägyptischen "Unterweltbücher", die zum Reisegepäck zählten. In der Tat erwies sich das Ägypten-Unternehmen GCK's nicht nur von seinen Resultaten her als ein komplexes Unternehmen, sondern es wurde zunehmend zu einer Reise durch die eigene Unterwelt (Gegenwelt), die verbunden war, die sich spiegelte als Sinnsuche mit ästhetischen Mitteln. GCK hat seine damaligen Arbeiter gelegentlich Vor-Bilder genannt. Das ist in einer Bedeutungsschicht auch als Mandala, als Meditationstafel zu verstehen und verweist im heutigen Sprachgebrauch auf die komplexe Psychologie C.G. Jungs, die in mandalaähnlichen bildhaften Gestaltungen Symbole einer im Individuationsprozeß sich vollziehenden Selbstwerdung sieht. Da, wie wir heute zu wissen glauben, jede Selbsterkundung und Therapie einer Reise ins Totenreich gleichkommt, bei der man gewissermaßen in seine eigene Unterwelt herabsteigt, lassen sich auch GCK's Reisen durch die ägyptische Unterwelt als ein solcher Erfahrungsweg deuten, seine einschlägigen Arbeiten als Stationen dieser Reise durch das eigene Unterbewußte, durch die eigene Gegenwelt verstehen. Als mir dies deutlich wurde, arbeitete GCK bereits an einer Serie, die er "Ufer-Serie" nannte. Wie ihr Titel besagt, ging es in dieser Serie um Ufer. Wie anderen Ägypten-Zeichnungen waren auch diesen Zeichnungen noch Angaben zur Proportion eingeschrieben, verweisen Wörter wie "Mitte" oder "Horizont" auf die zugrundeliegende strenge Bildordnung. Zugleich war aber "Horizont" ebenso wie "Ufer" eine Landschaftsangabe, verwies die Einschrift auf einen tiefgelegten, meist in der Mitte befindlichen aber auch hoch liegenden "Horizont". Horizont ist drittens im Sinne der Unterweltbücher die Grenze zwischen Ober- und Unterwelt, zwischen dem Reich der Menschen und dem der Götter, zwischen denen ein Fluß fließt, an dessen Ufer ebenso wie auf dem Horizont wie am Horn des Westens die Götter stehen und aufpassen. Ufer, Horizont, Horn des Westens sind im Grunde Synonyma für die letzte entscheidende Grenze, die die Seele des Verstorbenen passieren muß. "Ich kenne den Namen des Ufers", heißt es deshalb vorsorglich im "Totenbuch", und an anderer Stelle: "Das ist das himmlische Ufer, auf welchem die Götter stehen". GCK hat dies mehr oder weniger vollständig in die meisten Zeichnungen der "Ufer-Sene" eingeschrieben als Metapher für das sich abzeichnende Ende seiner Reise durch die eigene Gegenwelt. Das war 1985. Im gleichen Jahr, undzwar im Mai, entdeckte ich in GCK's Krefelder Atelier Arbeiten, die er mir bisher vorenthalten hatte - Arbeiten, die so ganz anders schienen wie die Agypten-Serien. Nun ist man mit einem Künstler nicht über dreißig Jahre befreundet, ohne in so einem Fall hellsichtig zu werden. Das heißt: ich hatte es im Laufe unserer Freundschaft wiederholt erlebt, daß GCK an einem Werkkomplex noch weiterarbeitete, obwohl sich ein neuer bereits ankündigte, wobei dann beides wiederum miteinander zu tun hatte. Die Arbeiten, die ich damals sah, waren lapidare Schwarzwald-Landschaften, überwiegend dunkel im Kolorit und, gemessen an der strengen Ordnung der Ägypten-Arbeiten, auffällig frei in der Handschrift. Doch hatte sich Kirchberger bereits auf denen in seiner zeichnerischen Syntax auffällige Freiheiten gestattet, eine freiere Gestik wiedergewonnen, die gelegentlich sogar an Arbeiten aus den frühen sechziger Jahren erinnerte. Das alles ist werkgeschichtlich recht komplex und im Rahmen einer Ausstellungseröffnung schlecht darzustellen. Worauf es mir ankommt, ist die Tatsache, daß in dem Augenblick, wo GCK seine Reise durch die eigene Gegenwelt fast beendet hat, Landschaftszeichnungen auftauchen, und daß dies zunächst Landschaften des Schwarzwalds sind, der sein farbliches Epitheton ja nicht von ungefähr hat. Mit diesem Themenwechsel geht auch ein formaler Wechsel Hand in Hand. Waren bei den Ägypten-Arbeiten Farbstifte die bevorzugten Notizwerkzeuge, sind es jetzt zunehmend Pastell-Ölkreiden. Und mit ihrer Hilfe erobert sich GCK gleichsam auf einem Neben- und Schleichweg seiner Kunst eine zunehmend lichter werdende Oberwelt in Form von Landschaftszeichnungen zurück, zunächst den Schwarzwald, dann die Bergwelt Kitzbühels, den Saargau und schließlich die Stadtlandschaft Roms. Wobei die Zeichnungen in der Regel der Ertrag sind von Wanderungen (Schwarzwald; Saargau) Studienreisen (Rom) oder von Arbeitsfreizeiten mit seinen Studenten (Kitzbühel). Ich habe nicht ohne Hintersinn hier von einem Neben- und Schleichweg der Kirchbergerschen Kunst gesprochen. Einmal, weil sich GCK, bezogen auf diese "Landschaften" lange bedeckt gehalten hat, diese Arbeiten kaum seinen engsten Freunden zu zeigen bereit war, in einer Ausstellung sie hier und heute überhaupt zum ersten Mal in größerem Umfang präsentiert. Zum anderen, weil es neben ihnen natürlich auch das andere Werk noch gibt, das sich z.T. deutlich aus den Ägyptenserien herschreibt. Ich muß auf diesen Werkteil, da er hier nicht gezeigt wird, nicht eingehen, jedoch auf ein Phänomen hinweisen, das sich dort wie hier findet. Ich meine das Phänomen des Rückverweisens, der ästhetischen Rückbindung. Als GCK und ich vor einem guten halben Jahr Arbeiten für eine Ausstellung zu seinem 60sten Geburtstag zusammenstellten, entdeckten wir plötzlich, daß sich in einem seiner letzten Bilder dasselbe Problem stellte wie auf einen Arbeit der frühen sechziger Jahre. Natürlich fielen qualitative Unterschiede ins Auge, vor allem, daß das, was in den frühen sechziger Jahren ästhetische Versuchsanordnung um ihrer selbst willen war, jetzt eine inhaltliche Durchdringung erfuhr. Ein derart meist unbewußtes Wiederanknüpfen an entwicklungsgeschichtlich scheinbar Abgeschlossenes ist in der Kunstgeschichte kein unbekanntes Phänomen und ursächlich vielleicht in Zusammenhang zu bringen mit der altersbedingten Abnahme des Kurzzeit- und Zunahme des Langzeitgedächtnisses. Wie auch immer, was wir im vorigen Jahr für Kirchbergers Tafelmalerei feststellten, gilt auch für die hier ausgestellten "Landschaften". Allerdings auf zweifache Weise anders. Zum einen, weil Rückverweis, ästhetische Rückbindung nicht so eindeutig sind wie im Falle der Tafelmalerei. Zum anderen, und das ist mir wichtiger, weil Rückverweis und Rückbindung in die Anfänge der Kunst GCK's verweisen, in seine Jahre auf der Stuttgarter Akademie, in denen er Schüler Manfred Henningers war. Wobei nicht uninteressant ist, daß diese "Landschaften" unter anderem in Kitzbühel in ursächlichem Zusammenhang der Arbeit mit Schülern entstehen, also in einer der Akademiezeit gegenüber reziproken Situation. Der ehemalige Schüler ist jetzt in der Situation des Lehrers, der seinen Schülern klar machen muß, daß Licht und Farbe im Atelier etwas anderes sind als in der Landschaft, daß Farbe nicht nur bildnerisches Material sondern auch Medium ist daß man einerseits, wie die Impressionisten, Farbe auflösen kann, daß aber andererseits auch Licht Farbe auflöst, und daß dieses künstlerisch umzusetzen etwas anderes ist als Impressionismus. Daß dabei GCK bis zu einem Punkt vorstößt, zu dem Manfred Henninger hätte kommen müssen, ist das eine, was diese Ausstellung zeigt. Gleichsam didaktisch zeigt aber diese Ausstellung des weiteren, wie recht die ersten Kirchberger-Interpreten hatten, wenn sie festhielten, daß für GCK Malerei eher ein Problem der Farbe als der Form sei. Wer mit Schülern vom Niederrhein in die Berge fährt, hat es zunächst einmal mit dem Problem zu tun, daß die Schüler von der Form der Bergwelt erschlagen sind. Will er erreichen, daß aus den Arbeiten kein Naturalismus wird, Abschilderungen, die die Fotografie besser zu leisten vermag, muß er ihnen vermitteln, daß sich das Geheimnis (auch einer heroischen) Landschaft nur über die Farbstruktur erschließen läßt. Was ich damit meine, laßt sich mit Arbeiten dieser Ausstellung dort verdeutlichen, wo einunddieselbe Landschaft zweimal erscheint, zunächst durchgezeichnet, dann in freier Form. In der Gegenüberstellung solcher Arbeiten wird auch dem ungeübten Auge schnell klar, daß es nicht ums Abbild geht, sondern zunächst darum, nachzuvollziehen, wie Landschaft aus Farbe und Gegenfarbe, aus einem Wechselspiel von Farben aufgebaut ist (erste Blatt), um sich in einem zweiten Schritt dann frei dem Wesen einer Landschaft zu nähern, wozu es zumeist nur noch des stenografischen Kürzels bedarf, auch freizügiges Spiel möglich ist in der Zurücknahme von Farben, im Verlagern des Horizonts nach oben oder unten. Ein berühmtes Diktum Munchs, "Ich male nicht, was ich sehe, sondern was ich sah", erfährt in den "Landschaften" GCK's zunehmend seine Bestätigung ebenso wie - auf der anderen Seite - Erfahrungen Cezannes über die aus dem Wechselspiel von Farbe und Gegenfarbe gebaute Landschaft sich bestätigen. Und noch ein Letztes möchte ich zu den hier ausgestellten "Landschaften" GCK's anmerken, die ihnen eigene und zunehmende Qualität des Lichts, die - naheliegend - vor allem auf den Rom-Blättern ins Auge fällt. In ihrer Darstellung faszinierender Wechselwirkungen von Farbe und Licht, von Licht und Farbe hat GCK zugleich die Reise durch die eigene Gegenwelt endgültig abgeschlossen, hat er zu einer faszinierenden Leichtigkeit und ästhetischen Balance gefunden, formal und inhaltlich. [Rathaus Galerie Euskirchen 11.9.89] |