Reinhard Döhl | Integration & Comic strip


Die heute häufiger anzutreffenden visuellen Buchstaben- und Wortarrangements verleiten zu der Fragte, ob sie nun noch Text oder schon Grafik seien; und zu der Vermutung, daß sie das eine nicht mehr und das andere noch nicht sind. Das ist einer der Gründe, die Günther C. Kirchberger und mich seit Ende 1961 bewogen haben, wiederholt Versuche mit möglichen Kombinationen von Schriftbild und Grafik zu machen.

Ein auf einen Blatt vorgeschriebener (oder gedruckter) Text wird weitergemalt oder durch Grafik zerstört, die ihrerseits wieder durch nachträglich weitergeschriebenen Text zerstört werden kann. Die Grafik tritt also nicht als Bildelement zur Schrift hinzu, dient nicht der Illustration, vielmehr dient die Schrift, ohne Rücksicht auf einen mitgeteilten Inhalt, nur als Anreiz, indem nie bereits als grafischer Schritt interpretiert wird, von dem aus und mit dem weitergearbeitet werden kann. Das führt zu einer Integration von grafischem und Schriftbild, weshalb diese Blätter auch als Integrationen bezeichnet werden. Die geschriebenen Texte sind dabei bevorzugt banaler, oft rein statistischer Natur und bilden so von vornherein ein Korrelat zu den bewußt materialen Vorgängen bei der Herstellung der Grafik.

Während bei Blättern dieser Art das Schriftbild nur noch rudimentär in einzelnen Wörtern, Wortteilen, Satzfragmenten ohne einen ersichtlichen (außer dem materialen) Zusammenhang erscheint, dienen die sogenannten Comic strips der zufälligen Erzeugung eines neuen Textes, indem ein vorgeschriebener Text durch eine nachträglich darübergemalte Grafik zerstört wird, die noch erkennbaren Wörter dann in ihrer Reihenfolge solange wiederholt werden, bis der vorgegebene Raum gefüllt ist, der nun wiederum durch eine darübergermalte Grafik zerstört wird usw., bis schließlich, meist in einem sechsten Schritt, das durch die Zerstörung verringerte, durch Wiederholung in der statistischen Häufigkeit vom anfänglichen verschiedene Wortrepertoire in eine möglichst sinnvolle neue Wortfolge gebracht wird.

Und noch etwas spielt bei der Herstellung solcher Blätter eine Rolle: nämlich eine gewisse Freude am Spiel, an der spielerischen Kombination, die der Handschrift des Autors ebenso bedarf wie der Handschrift des Malers, um in der Verbindung der Technik zweier Kunstausübungen, des Schreibens und des Malens, zu einer Art Teamwork zu führen, nämlich zum integrierten Schrift-Bild (anstelle der Illustration).

[1963 für Katalog/Ausstellung Schrift und Bild, Baden-Baden. Unveröffentlicht, keine Ausstellungsbeteiligung]