Rolf Wedewer | Die Malerei Kirchbergers ...
Die Malerei Kirchbergers, so wie sie heute uns erscheint, hat sich entwickelt aus einem dialektischen Widerspiel von Freiheit und Kontrolle, Farbe und Konstruktion. Schon vor geraumer Zeit schoben sich in die Felder informeller Farbaktionen gleichsam stabilisierende Elemente ein, die nach und noch immer deutlicher hervortraten und den Raum der Farbe zunehmend beschränkten. Kirchberger selbst spricht bei diesen Arbeiten - etwa aus dem Jahre 1963 - von dem Spannungsfeld zwischen Bildereignis (happening) und Bildumraum (surrounding), womit der Widerspruch zwischen der gestenhaft betonten Farbbewegung und den in sich jeweils monochromen Flächen gemeint ist. Dieses Begriffspaar verstellt indes den Blick ein wenig, da der "Bildumraum" in Wahrheit ja keine periphere Erscheinung auf der Leinwand ist, sondern durchaus gleichgeordnet neben den Aktionszonen steht. Es gehört zur Dialektik dieser Bildkonzeption, daß sie ein hierarchisches Gefüge der einzelnen Elemente nicht kennt, vielmehr im Gegenteil diese sich wechselseitig in ihrer Formulierung bedingen. Andererseits jedoch ist der Begriff des "Bildumraums" höchst aufschlußreich für das bildnerische Denken Kirchbergers in dieser Zeit. Die Bedeutung der informellen Farbigkeit überwiegt bei ihm unbewußt noch den Gedanken einer formalen Verfestigung und Ordnung des Bildganzen. Ein Beleg dafür ist die Beobachtung, daß bei den frühen Bildern dieser Gruppe die stabilisierenden Farbflächen vielfach noch als Rahmen gleichsam nur gedacht sind, obwohl sie auch schon bestimmend sind für die Verteilung der einzelnen farbigen Aktionszonen. Allmählich erst und stufenweise entfaltet sich in den Bildern jene kritische Bewußtheit, die, ablesbar an der immer weiter reichenden Konstruktion klarer Formelemente, jeglicher nur subjektiv faßbaren Kategorie mißtraut. Das beginnt mit der zunächst noch zögernd, dann aber immer energischer vollzogenen Konturierung der informellen Farbinseln, ihrer Verdichtung zu Flächen und endet in dieser Phase dann mit ihrer konsequenten Einordnung in das Bildgerüst. Gegen Ende dieser Entwicklung zur exakten Form hin setzt folgerichtig auch eine Konzentration der bildnerischen Elemente ein, das heißt, die Vielzahl rechteckig umgrenzter Felder wird radikal beschränkt, um so die Voraussetzung zu gewinnen für eine Umwandlung dieser Flächen in nichtrechteckige Formen. Dreiecke treten jetzt auf, Winkelformen und Kreise, die jeder illusionistisch begründeten Assoziation widerstehen; die reich nuancierte Palette früherer Zeit weist jetzt fast nur noch Primärfarben auf, hin und wieder durchsetzt von anderen Tönen. Auch sind die weißen Flächen des Grundes nicht Markierungen mehr eines perspektivischen Hintergrundes, sondern stellen ebenso einen Farbwert dar wie Rot oder Blau. Kurz: an die Stelle der Dialektik als Bildprinzip ist eine von geometrischen Grundfiguren bestimmte Ordnung getreten. Nach der Krise des Subjektivismus im Informel sucht Kirchberger - und damit steht er heute nicht allein - einen neuen Bildanfang. Seine nach dem Prinzip von rund und eckig aufgebaute Syntax läßt die Farbe - den vornehmlichen Träger von Emotion und Assoziation ansonsten - nur gelten unter dem Primat der Form, als bildnerisches Faktum also und nichts anderes. Damit wird das plane Gefüge seiner Bilder übersichtlich und kontrollierbar. Es könnte der Ansatz sein zur Ausbildung eines Raumempfindens, das ausschließlich sich aus dem gleichmäßig rhythmisierten Spannungsverhältnis farbiger Formen zueinander entwickelt. [Faltblatt zur Ausstellung g.c. kirchberger. Ölbilder Wachskreiden. Heidelberg: Galerie der Edition Rothe 1965] |